Prof. Max Kobbert, Wahrnehmungspsychologe

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Colour People Interview

“Mich interessieren die großen Fragen.”

Prof. Dr. Max Kobbert

Professor Max Kobbert ist Psychologe und lehrte über viele Jahre, bis zu seiner Pensionierung 2009, an der Kunstakademie Münster die Fächer Kunstdidaktik und Psychologie, insbesondere Wahrnehmungspsychologie.

In der Öffentlichkeit bekannter ist sein zweites Tätigkeitsfeld als Spieleautor. “Colomino” und “Bunte Kuh” stammen von ihm, am bekanntesten und erfolgreichsten ist “Das verrückte Labyrinth”, das sich in zahlreichen Varianten millionenfach in über 80 Länder verkauft hat.

Ein freundlicher älterer Herr empfängt den Besucher in der gemütlichen Atmosphäre seines Wohnzimmers, das viele Versatzstücke der Themen enthält, die wir besprechen. Viele Belege und Beispiele für Kobberts Aussagen finden sich auf der Fensterbank, in der Vitrine mit den Mineralien, Bernsteinen und Meteoriten, sowie als Bilder an der Wand.

Achtung – Lesestrecke!

Das Gespräch dauert fünf Stunden. Weite Bereiche werden im nachstehenden Text weg gelassen, bei den verbliebenen wäre es unangemessen, die Gedanken und Ideen stark zu kürzen. Es geht gleich los mit der Kernfrage der Wahrnehmungspsychologie:

Fragen an Max Kobbert

Herr Professor Kobbert, wie viel Prozent der Realität, die wir wahrnehmen, oder dessen, was wir für die Realität halten, ist tatsächlich Realität?

Wenn ich ganz krass antworten sollte, würde ich sagen: fast nichts. Weil das, was wir als Realität wahrnehmen, unsere eigene Realität ist, die mit dem, was Sie jetzt wahrscheinlich meinen, der physikalischen Realität, zwar in Beziehung steht, aber nie in irgendeiner Weise damit identisch sein wird. Wenn es sehr weit reicht, dann sind es bestimmte Beziehungen und Relationen, vielleicht Strukturen zwischen bestimmten Größen, die eine gewisse Ähnlichkeit, eine Äquivalenz aufweisen. Damit hat sich die Psychophysik lange Zeit beschäftigt, aber darüber hinaus geht es nicht. Es geht zum Beispiel nicht in das hinein, was wir als unser Erleben im Wesentlichen beschreiben würden, nämlich ein Insgesamt von Qualitäten, was sich besonders im Bereich der Farben zeigt.

Farben sind für mich immer der Inbegriff dessen, was in uns passiert. Dieses Rot, dieses Grün wenn ich hier aus dem Fenster schaue, dieses wunderbar beruhigende Grün, dieses leuchtende Rot, das signalartig hervorsticht, dazu findet man in der Physik keinerlei Entsprechung. Die Wellenlänge als solche sagt gar nichts aus. Sie enthält keine Art von Qualität, es ist ein beliebiger Punkt im Gesamt der elektromagnetischen Wellen, von denen wir den allergrößten Teil überhaupt nicht wahrnehmen.

Ich habe einmal ausgerechnet: physikalisch gesehen gibt es ungefähr 80 Oktaven als jeweilige Doppelung von Wellenlängen, und von diesen 80 Oktaven, die es real gibt, ist es noch nicht mal eine Oktave, die ihre Entsprechung in unserem Erleben findet. Unser Erleben wiederum nimmt das nicht wahr als eine Art linearen Ausschnitt aus dieser linearen Kette von Informationen, sondern biegt das auch noch zum Kreis zusammen, über das Purpur zum Violett und Rot, und bildet einen Farbenkreis oder ein zirkuläres Gebilde, das es physikalisch auch gar nicht gibt.

Also, es ist eine ganz eigene Wirklichkeit, die zwar mit der physikalischen in Verbindung steht, sonst könnten wir wahrscheinlich nicht überleben. Aber es ist eine Wirklichkeit, die so beschaffen ist, dass wir in der Welt interagieren können, überleben können. Für den Zeitraum unseres Lebens kommen wir damit klar, können Kinder kriegen, uns fortpflanzen, all das ja, aber es ist keine verlässliche direkte Aussage über diese physikalische Welt außerhalb unserer Selbst möglich.

Da haben wir Messinstrumente, die angepasst sind auf das, was die Physik anbietet. Wir messen Wellenlängen und elektrische Spannungen und was alles möglich ist. Unsere erlebte Welt ist eine ganz eigene Welt, die aber ihren Wert in sich hat.

Viele neigen heutzutage dazu zu sagen, das ist doch dann alles Illusion. Sogar auf Farben wird das angewendet: Farben seien Illusionen, sie spiegeln uns etwas vor, was so gar nicht der Realität entspricht. Aber das verkennt, dass die erste Realität, die wir erfahren, die unsere Erlebniswelt ausmacht, unsere phänomenale Wirklichkeit ist. Die Farben, so wie wir sie erleben, sind unsere primäre Wirklichkeit, das können wir nicht als Illusion abtun.

Es ist unser unmittelbarer Zugang zu unserer Welt, die in unserem Kopf entsteht. Dass wir sie nach außen projizieren, wie es früher behauptet wurde, ist auch eine falsche Auffassung. Wir nehmen uns ja selber wahr als innerhalb der Welt.

Das ist ein Paradox. Es ist sehr schwer jemandem klarzumachen, dass wir nicht das Empfinden haben, dass die Welt im Kopf passiert oder entsteht, sondern wir haben das Gefühl: wir sitzen hier, um uns herum ist eine Welt, die freie Natur, Sie sitzen mir gegenüber, ich höre mich selbst sprechen, ich fühle meine Hände und so weiter…

Man muss sich aber klar machen, dass alles in uns selbst passiert. Nicht nur die Außenwelt, sondern auch wir selbst haben unseren Ort innerhalb des Gehirns. Beides ist repräsentiert im Gehirn. Die ganzen Relationen zwischen der Umwelt und uns finden ihre Entsprechung in dem, was das Gehirn macht. Wir nehmen uns selber wahr, das fängt schon in der vorgeburtlichen Phase an, und genauso parallel empfangen wir Signale, die der Außenwelt entstammen. Unser Gehirn macht daraus eine Gesamtwelt, innerhalb derer wir uns im Zentrum befinden. Das ist das unmittelbare Erleben. Diese phänomenale Wirklichkeit mit ihren Farben, mit ihrem Formen, mit ihren Größen, mit ihren ganz emotionalen Qualitäten – es gibt keine Wahrnehmung ohne emotionale Qualität – das wirkt sich natürlich auch auf die Welt der Farben aus, aber es betrifft jeden Gegenstand.

Wir nehmen zu jedem Gegenstand Stellung in irgendeiner Weise. Wenn wir einen Stuhl sehen, dann ist das etwas, worauf man sich setzen kann, und es gehört zur Qualität des Stuhls dazu, dass es etwas Be-sitz-bares ist. Es ist nicht nur Form, und es ist nicht nur die Farbe, sondern es ist auch die Funktion, dies alles spielt sich in unserem Erleben mit ab. Dass man darauf sitzen kann, wäre sehr umständlich, auch physikalisch erfassen zu wollen. Es ist eine Gesamtqualität, in der sich ein Stuhl darstellt.

Also: die Welt, die wir erleben, das ist die primäre, die wir erfahren. Darüber hinaus gibt es die Wirklichkeit, von der wir wissen aufgrund von indirekten Erfahrungen. Die unmittelbare Erfahrung der Welt ist zum Beispiel: Die Welt ist eine Scheibe. Wenn Sie hier im Norddeutschen Flachland ringsherum gucken, da hört die Welt irgendwo am Horizont auf, und unser primäres Erleben ist: die Welt ist eine Scheibe.

Bis ich auf die Idee komme, die Welt könnte eine Kugel sein, muss ich sehr indirekte Beobachtungen machen. Zum Beispiel, wie es schon in der Antike gemacht worden ist, beobachten: das Segelschiff verschwindet in der Ferne allmählich Stück für Stück. Auf diese Weise kam man überhaupt darauf, möglicherweise ist das Ganze gekrümmt, aber die unmittelbare Erfahrung war: die Welt ist eine Scheibe.

Jetzt haben wir zwei Wirklichkeiten: die unmittelbar erlebte, zu der auch die Farbqualitäten gehören, und die, von der wir wissen, die wir erschließen, die wir messen, zum Beispiel die Wellenlänge des Lichtes. Aber das ist eine ganz andere Wirklichkeit.

Wir versuchen zu verstehen und beides miteinander in Beziehung zu bringen. In wissenschaftlicher Hinsicht, oder jeder tut es für sich auch privat, weil er merkt, es gibt auch optische Täuschungen. Da muss man manchmal aufpassen, dass man sich nicht vertut, dass zum Beispiel im Dunkeln oder in der Dämmerung wir die Farben gar nicht mehr erkennen als Farben. Plötzlich ist alles Grau in Grau, auf einmal ist Rot etwas ganz dunkles und Blau ist etwas ganz helles. Es sind merkwürdige Erfahrungen, die sich damit verbinden, aber das kann man auch innerhalb unserer Erlebniswelt erfahren.

Auf jeden Fall möchte ich ganz deutlich sagen: die phänomenale Welt ist unsere erste Wirklichkeit. Sie ist nicht irgendeine Illusion. Eine Illusion kann man ja messen an einer tatsächlich vorhandenen Realität. Zu dieser tatsächlich behaupteten Realität haben wir keinen direkten Zugang, sondern erschließen sie nur, und das sind reine Konstrukte.

Man kann natürlich auch sagen: unsere Erlebniswelt ist ein Konstrukt des Gehirns, aber das setzt voraus, dass wir über unser Gehirn eine reale Vorstellung haben. Das ist ja sehr indirekt, da beißt sich die Ratte in den Schwanz.

Es funktioniert doch aber. Wir können in der Welt positiv überleben und leben und kommen im gegenseitigen Austausch mit dieser Welt zurecht aufgrund der Dinge, die wir sehen, hören, fühlen und schmecken. Da ist also irgendwas dran, oder?

Ein wunderbares Beispiel ist tatsächlich unsere Farbenwelt. So wie sie uns erscheint, nicht erst seit Jahrhunderten oder seit gestern. Uns scheint es selbstverständlich zu sein, dass es diese Farben gibt, Rot-Gelb-Grün und die ganzen Zwischentöne. Wenn man sich aber klar macht, dass andere Lebewesen Farben ganz anders sehen, manche nur hell und dunkel, manche sehen Farben, die wir überhaupt nicht erkennen. Bienen sehen Ultraviolett, das können wir uns gar nicht vorstellen, wie sollte das gehen?

Haben Sie eine Idee davon, was da vorgestellt wird?

Wir können es nur übersetzen. Wie eine schlechte Übersetzung aus einer Sprache in die andere, können wir uns eine Ahnung davon verschaffen, was ist, indem wir versuchen, die Wellenlänge Ultraviolett in unsere sichtbare Welt, ins Violett zu übersetzen, und dafür streichen wir das Rot. Eine Biene kann kein Rot als Farbe wahrnehmen, sie nimmt Rot als Schwarz wahr. Also: das ganze Spektrum hat sich verschoben.

Auf der anderen Seite gibt es Wesen wie die Klapperschlange, die Infrarot sehen und Wärmebilder empfangen können. Das können wir uns auch nicht direkt vorstellen.

Innerhalb der Säugetiere, der Primaten, muss man sagen: die Farbenwelt, wie wir sie heute erleben, ist vielleicht erst 20 Millionen Jahre alt. Vor dieser Zeit sahen unsere Vorfahren vielleicht ähnlich wie die Menschen, die heute noch Rot-Grün-blind sind. Sie können Rot und Grün nicht unterscheiden, davon gibt es ja sehr viele, über 5% aller Menschen sind rot-grün-blind. Diese Art zu sehen entspricht aber wahrscheinlich dem, wie vor ungefähr 20 Millionen Jahren unseren Vorfahren gesehen haben. Die konnten nämlich nur die Extreme, die kurzwelligen und die langweiligen Lichter unterscheiden in zwei Qualitäten, die sich schlecht beschreiben lassen, aber die vielleicht im Bereich Blau und Orange gelegen haben mögen.

Die Möglichkeit, das Orange zu differenzieren in Rot und Gelb und Grün, ist eine relativ neue Errungenschaft unserer Evolution. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die fernen Vorfahren von uns in Bäumen herumgeturnt sind, wo sich eine Koevolution entwickeln konnte zwischen den reifenden Früchten und dem Farbsystem der Affen. Die Früchte waren im Interesse der Pflanzen dann zu essen, wenn Sie reif waren, dann konnten sie gegessen werden, und das ganze Fruchtfleisch war ein Trick der Bäume, die Affen zu verlocken, die Früchte zu fressen. Durch die Ausscheidungen haben sie dann die Bäume sich verbreiten lassen, und die Affen hatten etwas davon.

Aber sie hatten auch nur etwas davon, wenn die Früchte reif waren, wenn sich Rot und Grün unterscheiden ließ. Deswegen waren sie im Vorteil, wenn sie diesen Bereich des Spektrums differenzieren konnten. So unterschiedlich uns das Rot und Grün und Gelb erscheint, so klein ist, wenn man es sich auf der physikalischen Skala mal ansieht, der Abstand der Wellenlängen. Dass es solche Riesenunterschiede sind, qualitativ, ist unser Produkt, unsere Wahrnehmung, sie hat das stark auseinander gezogen, hat Qualitäten geschaffen, zu unserem überleben, was andere Tiere, wenn wir uns mal als Tiere sehen, so nicht haben, die unterscheiden andere Qualitäten.

Daran wird sichtbar, dass wir wirklich unsere eigene Farbenwelt haben, und dass wir unsere Farbenwelt, wie wir sie erleben, nicht verabsolutieren können.

Ist mein Rot das gleiche wie Ihr Rot?

Letztlich lässt sich nicht zeigen, dass Sie dasselbe Rot so erleben, wie ich es erlebe. Ich kann es ja nicht beschreiben. Rot ist eine Qualität, ein “Quale”, das ich nicht weiter hinterfragen kann, es ist eine nicht weiter beschreibbare Qualität, jeder sieht sie in seiner Weise, ob wir dasselbe empfinden bei Grün oder Rot, kann keiner sagen.

Es fängt schon im Auge an: wir haben ja nur drei farbempfindliche Rezeptoren jedenfalls die normal empfindlichen Menschen, drei empfindliche Rezeptoren für Blau-Violett, für Rot-Orange und Grün, und die Unterschiede sind äußerst minimal. Man hat hunderte Jahre lang im Auge geguckt, in der Netzhaut, wo da der Unterschied sein soll. Man hat nichts feststellen können, weil die Unterschiede in der Beschaffenheit der Farbrezeptoren so minimal sind, dass man es unter dem Mikroskop nicht erkennen konnte. Erst durch technische Hilfsmittel hat man feststellen können, dass in den Farbrezeptoren Farbfilter sind. Die sind so schwach wie ein Tropfen Farbe in der Badewanne, so dass man den Farbton mit bloßem Auge gar nicht erkennen konnte, aber für den Wahrnehmungsprozess reicht das, daraus Unterschiede festzustellen und die Farbenwelt entstehen zu lassen, die wir haben. Und das ist von Mensch zu Mensch verschieden: der eine hat mehr grünempfindliche Rezeptoren, der andere hat mehr rotempfindliche Rezeptoren, da gibt es gewaltige Unterschiede. Kein Mensch weiß richtig zu sagen, ob sich daraus nicht auch qualitative Unterschiede in der Farbenwelt ergeben.

Die Evolution wird weiter gehen. Glauben Sie, dass sich unsere Farbwahrnehmung im Laufe der nächsten Zeit in eine gewisse Richtung verändert?

Ich kann mir das sehr gut vorstellen. Im Allgemeinen ist es ja so, dass sich in der Evolution Veränderungen abspielen, wenn ein gewisser Druck in einer Richtung besteht. Damals, im genannten Beispiel, war es ein Vorteil, im Zusammenhang mit den Früchten der Bäume das Farbsystem zu evolvieren. Dem verdanken wir unser jetziges Farbsystem. Wenn also ein Druck entstünde, z.B. Ultraviolett stärker wahrzunehmen, ich denke an das Ozonloch und derartige Beispiele.

Das Ozonloch bringt ja mit sich, dass UV stärker auf die Erde strahlt, was zunächst einmal als schädlich wahrgenommen wird, und zu Recht, wir sind darauf nicht so eingerichtet. Ein bisschen UV braucht die Haut, um Vitamin D entwickeln zu können. Da ist also eine gewisse Abhängigkeit, wir sind darauf eingestellt, auch UV zu verarbeiten. Wir brauchen das für unser Überleben, aber nicht in dem Maße, wie es zum Teil auf die Erde prasselt, wenn die Ozonschicht gerade mal wieder zerstört ist.

Wenn so etwas also passiert, dass die ozonschädlichen Emissionen der Sonne stärker durchdringen und der Anteil von UV uns stärker treffen sollte, muss sich unser Organismus irgendwie darauf einstellen, oder wir werden krank. Wir bekommen Hautkrebs. Wenn sich also in dieser Richtung etwas verändern sollte, dann kann ich mir gut vorstellen, dass sich die Sensibilität für UV verändern würde für unsere Augen. Dass diejenigen Menschen, die UV unterscheiden können von anderen Anteilen des Spektrums, eine höhere Überlebenschance haben gegenüber anderen.

Das ist jetzt rein spekulativ gedacht, aber es ist durchaus möglich. Es zeigt sich jetzt schon: Untersuchungen haben ergeben, dass manche Menschen offenbar noch einen weiteren Rezeptor im Auge haben. Man hat bisher nicht feststellen können, ob das mit dem Erleben einer weiteren, einer neuen Farbqualität verbunden ist, ob bei diesen Mensche das Farbsystem völlig anders ist als bei den Trisomaten, die wir alle normalerweise sind, es deutet sich aber so etwas an.

Aber bisher war es ja so, wir haben den kurzwelligen Bereich, da sind die blauempfindlichen Rezeptoren zuständig, wir haben den langwelligen Bereich, dafür war früher der orange empfindliche Rezeptor zuständig, der hat sich differenziert in den ganzen Rot-Grün-Gelb-Bereich. Bisher ist es immer so, dass sich eine neue Unterscheidung, der neue Rezeptor immer wieder in diesem Rot-Grün-Gelb-Bereich gebildet hat, der zunächst mal nicht viel Neues bringt. Wenn ich ein Ingenieur wäre und ich sollte unser Farbsystem aufpushen, dann würde ich eher in den großen Bereich zwischen kurzwelligem Blau und dem mittel- und langweiligen noch etwas einbauen. Oder ich würde zum Beispiel im Bereich des UV etwas machen. Aber so geht natürlich die Biologie nicht vor. Bisher zeigt sich: die Physiologie der Farbwahrnehmung ist heute noch in Bewegung, ist heute noch veränderlich.

Hinzu kommt: unsere Farbrezeptoren, sowohl die für hell-dunkel wie auch für die Farbe, sind auch für UV empfindlich. Wir haben vor der Netzhaut einen sogenannten “gelben Fleck”. Er bildet gewissermaßen eine Sonnenbrille im Zentrum der lichtempfindlichen Organe im Zentrum des Sehens, um diese besonders vor UV zu schützen. Die Gelbfärbung ist wie eine Sonnenbrille mit UV-Schutz in unserem Auge. Sie mildert den Anteil des UVs, es kommt immer noch ein bisschen UV an, und es ist durchaus möglich, sensibel sind unsere Organe schon für UV, nur sind sie noch nicht eingerichtet dafür, in diesem Bereich das UV noch einmal differenzieren zu können von den anderen.

Genauso wie die früheren orangeempfindlichen Rezeptoren zwar auch Rot, Grün und Gelb hätten sehen können, aber die Qualitäten gab es noch gar nicht, weil es keine Möglichkeit gab, sie mithilfe von andersartigen Rezeptoren zu unterscheiden. So ist das auch beim UV, eigentlich ist unser Sehsystem schon vorpräpariert dafür, auch UV sehen zu können, aber es gibt noch keine Möglichkeit, durch Differenzbildung von benachbarten Wellenlängen diesen Bereich noch einmal gesondert zu differenzieren.

Warum ist das nicht schon längst entstanden in der Evolution, das UV ist doch schon immer eine permanente Gefahr gewesen und nicht erst durch das Ozonloch hervorgerufen?

Offenbar gab es bei den Säugetieren keinen Druck in der Richtung. Bei den Vögeln ist es anders. Die allermeisten Vögel können UV sehen, also nicht nur die Honigbiene kann UV sehen: zum Beispiel die Rabenvögel haben schwarzes Gefieder. Wir denken: wie langweilig, aber für die Raben ist das bunt! Sie unterscheiden zwischen dem schwarzen Glanz noch Farbigkeiten, die sich aus der UV-Rückstrahlung ergeben. Sie sehen ein Muster, das wir überhaupt nicht sehen. Das gilt für die Bienen genauso. Die Vögel haben dieses Vierfachsystem, sie sehen das trichromatische, das wir haben, und sie haben auch zusätzlich noch UV-empfindliche Rezeptoren und sehen dadurch Muster in ihrem schwarzen Gefieder, für die wir blind sind.

Genauso wie wir für die Farben der Blumen auch zum Teil blind sind. Diese bunte Blumenpracht, die wir so bewundern und die wir pflegen, ist gar nicht für uns geschaffen, sondern für die Insekten. Den Anteil, der für die Insekten so wichtig ist, nämlich UV, das sehen wir gar nicht. Jede Blume, die wir draußen sehen, strahlt im Ultraviolett ein besonderes Muster, wir sehen das nicht. Wir sehen ein Rot, aber da ist noch ein Muster, auf das speziell die Bienen und andere Insekten besonders reagieren.

Käfer und Insekten aller Art reagieren auf das UV, wir nicht. Es besteht offenbar keine Notwendigkeit, aber vielleicht hängt es damit zusammen, dass da kein evolutionärer Druck für die Säugetiere bestand. Das könnte sich durchaus ändern. Man merkt es daran, dass wir in unterschiedlicher Weise UV-empfindlich sind. Menschen, die seit Jahrtausenden in der nördlichen Region leben, haben sehr helle Haut und Menschen, die in Äquatornähe leben, haben sehr dunkle Haut. Das ist eine Reaktion auf den UV- Eintrag. Der Körper braucht Ultraviolett, deswegen ist es notwendig, etwas UV an die Haut zu lassen, aber wenn, wie in Äquatornähe, zu viel an die Haut kommt, muss sich die Haut schützen.

Der Grund für die unterschiedlichen Hautfarben…

Die Hautfarben haben nichts zu tun mit rassistischen Unterstellungen, sondern sie haben einfach damit zu tun, dass die Farbe ein Schutzmechanismus ist, man muss dunkle Haut haben, um den Körper vor sehr starkem UV-Eintrag zu schützen. Wo die UV-Strahlung sehr gering ist, wie nördlichen Breiten, muss die Haut sehr hell sein, damit sie überhaupt das notwendige UV empfängt.

Witzigerweise ist es nun so, dass die Inuit, die Eskimos, ja eine relativ dunkle Haut haben. Dies ist häufig als Gegenargument angewandt worden, aber sie ernähren sich hauptsächlich von Fisch, und der Fisch liefert das notwendige Vitamin D. Auf diese Weise ist also Ausgleich geschaffen. Einerseits müssen sich die hellhäutigen Menschen in südlichen Ländern schützen mit entsprechenden Cremes, damit sie nicht Sonnenbrand oder Hautkrebs bekommen. Wenn dunkelhäutige Menschen in nördliche Bereiche kommen, müssen sie durch Vitamin-D-haltige Nahrung, z.B. Fisch, einen Ausgleich über die Ernährung bekommen. Inzwischen ist das kein Problem mehr, weil wir durchschauen, was notwendig ist, aber von der Natur her gesehen kann man sehr schön sehen, wie die Evolution im Laufe der Zeit Unterschiede gemacht hat.

Wie das in Zukunft weitergeht, weiß ich nicht. Falls es notwendig werden sollte, könnte ich mir vorstellen, dass eines Tages gentechnisch etwas gemacht werden könnte, damit wir UV-sensibel werden.

Man hat sogar, und das ist keine Science Fiction, farbenblinde Mäuse über Viren mit Genen versehen, die die Unterscheidung von Rot und Grün enthalten. Auf einmal konnten sie Rot und Grün unterscheiden, und entwickelten ein ganz neues Farbsystem. Man hat solche Versuche, soweit ich weiß, beim Menschen noch nicht gemacht. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass Menschen, die Rot und Grün nicht unterscheiden können, falls sich sie darauf einlassen, einen solchen Versuch mitzumachen, die Erfahrung machen, dass sie ganz neue Farben sehen.

Ich habe davon noch keine Kenntnis, es ist ja immer heikel, wenn man Menschenversuche macht, aber wenn Leute sagen, das ist mir die Sache wert, ich möchte da noch mehr Erleben im Bereich der Farben haben, und falls gesichert ist, dass die Sache nicht schädlich ist, wird es sicher einmal dazu kommen. Dann wird sich zeigen, inwieweit tatsächlich neue Farben in die Welt kommen, die uns bis dahin selbstverständlich waren.

Deswegen halte ich es im Bereich des UV durchaus für realistisch, dass wir irgendwann dafür vom Sehen her sensibilisiert werden. Wenn Gefahr droht, bleiben wir eben drin, gehen nicht mehr raus. Wir sehen es dann unmittelbar: oh da ist es auf einmal hell von UV! Bisher können wir uns behelfen damit, dass wir entsprechende Messgeräte haben.

Wäre andererseits auch denkbar, dass wir abstumpfen in anderen Farbbereichen und Farbqualitäten, weil unsere moderne Welt von anderen und viel grelleren Farbreizen geprägt ist als die natürliche Umwelt?

Das ist eine Gefahr, die wahrscheinlich sogar unmittelbarer ist. Dass wir in der Differenzierung von Farbtönen im negativen Sinne geschult werden, weil die Reizüberflutung ja nicht nur ein Schlagwort ist, sondern sie ist wirklich Realität. Das hängt natürlich auch mit den neuen Medien zusammen, auf die wir sehr ansprechen.

Sie sind ja in Wechselwirkung mit den Vorlieben unseres Erlebens entwickelt worden, dazu gehört auch immer, neue Reize aufzunehmen und diese Reize konkurrieren, nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen, und jeder versucht, den anderen zu übertrumpfen mit: noch mehr, noch greller, noch heller, noch lauter noch schneller im Wechsel, bis einem der Kopf dröhnt, manchmal ist das wirklich unangenehm, und wahrscheinlich ist damit auch eine Abstumpfung verbunden. Dass wir die feineren Unterschiede vielleicht neu lernen müssen. Ich würde nicht sagen, dass wir sie verlernen.

Ich wüsste nicht, dass es dazu eine Untersuchung gibt. Man weiß es aber von Tönen her. Wenn man das Ohr zu laut beschallt, dann gehen die Sinneshärchen im Innenohr zugrunde, und wir können bestimmte Frequenzen nicht mehr wahrnehmen. Daher ist es gar nicht schlecht, wenn man sich gelegentlich aus dieser Reizüberflutungswelt zurückzieht und den mittleren Tönen Raum gibt.

Schauen Sie sich dieses große Bild an. Das hat ein chinesischer Student von mir gemalt. Sie sehen, es umspielt eigentlich nur Grautöne. Das ist ganz im Sinne von Laotse, der gesagt hat, man solle die grellen Farben meiden. Ganz in diesem Sinne ist dieses Bild entstanden, es ist nur im Bereich des Grau, spielt etwas ins Grünliche, etwas ins Rötliche, etwas ins Bläuliche, aber es bleibt ganz verhalten im Bereich der ungesättigten Farben und zwingt so das Auge, Farbigkeit in das Bild hinein zu bringen.

Jun Jiang 2008, o. T., Ölbild 85 x 200 cm

So etwas liebe ich. Dass man sich ganz betont zurückzieht, zurücknimmt und einfach den Reichtum der ganze Farbenwelt dadurch neu erschafft, dass man auch in den objektiv reizarmen Situationen Vielfalt und Reichtum für sich entdeckt. Ich glaube, das ist ein guter Weg, den jeder für sich gehen kann, aber man muss dazu einen Schritt zurücktreten vor dem, was die Medien mit uns machen.

Welches ist Ihre Lieblingsfarbe?

Als Farbenfreund weiß ich wie jeder Künstler alle Farben in ihrer Vielfalt und ihren überraschenden Farbakkorden zu schätzen. Des Weiteren muss ich zwischen Hintergrundfarbe und Figurfarbe unterscheiden, denn was als Figurfarbe überzeugt, kann als Hintergrundfarbe schrecklich sein. Aber ich will nicht ausweichen und mich nicht – wie manche Künstlerkollegen – in ein distanziertes Schwarz oder ein Universalität demonstrierendes Weiß kleiden. Meine liebste Hintergrundfarbe spielt im Blau-Grün-Bereich, wo sie die Ruhe ausstrahlt, die das Denken braucht. Meine liebste Figurfarbe ist demgegenüber das pure Rot, die Farbe der Farben, der leuchtende Akzent, der die Aufmerksamkeit fordert.

Ich habe hier einen Atlas mitgebracht. NCS ist ein Farbsystem aus Schweden, das in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts auf den Markt gekommen ist. Hier wird versucht, die menschliche Farbwahrnehmung in gleichabständige Form zu bringen. Zeigen möchte ich Ihnen den recht großen Umfang von Grün- und Gelbtönen, was in mir in den Gedanken ausgelöst hat: okay, das waren die 30er und 40er Jahre in Schweden, in dieser grünen Natur, eine Umgebung, die in die Farbwahrnehmung der Menschen Eingang gefunden hat.

Da kommen wir nochmal genau ins Zentrum der Schwierigkeit, physikalische Messgrößen und erlebnismäßige Daten überein zu bringen. Es setzt voraus, dass wir von einer mittleren Wahrnehmung ausgehen, dass wir ausgehen von Trisomaten, die ein funktionierendes Dreifarbensystem haben, also keine Farbenblinden oder Teil-Farbenblinden, es gibt ja die verschiedensten Abstufungen. Das ist eine Voraussetzung, und dass es tatsächlich gelingt, Gleichabständigkeit – ja in welchem Sinne eigentlich? – im erlebten Sinne zu finden. Das ist hier versucht worden, das sieht man sehr schön.

Ob das an jedem Punkt, bei jedem Zweierschritt tatsächlich gelungen ist, kann man aber in Frage stellen. Wenn ich zum Beispiel diese Orange-Töne sehe, dann erscheinen die mir untereinander relativ ähnlich, also zwischen diesen beiden und diesen beiden. Von diesem Gelb zu diesem benachbarten Grün ist es aber ein ziemlich großer Sprung.

Gelb ist eine Farbe die erlebnismäßig außerordentlich empfindlich ist. Physikalisch ist es eine Wellenlänge neben anderen, aber erlebnismäßig reicht die kleinste Beimischung zum Gelb, um daraus einen anderen Farbton zu machen. Da ist unsere Empfindlichkeit am sensibelsten.

Das zeigt sich auch an diesem Farbkreis. Wenn ich den Farbkreis wirklich völlig gleichabständig machen wollte, müsste ich den Gelbbereich weiter aufblähen, vielleicht zu Lasten des Orangebereichs, oder, jedenfalls wie ich das sehe, zu Lasten des Violett-, Blau- und Grünbereichs. Hier zum Beispiel sehe ich auch Farbabstände, die nach meiner Wahrnehmung relativ klein sind. Im Gelbbereich gibt es für mich demgegenüber Riesenstufen..

Es ist also extrem schwierig, und das Problem hat man in der Farbforschung ständig: dass man die verschiedenen Farbbereiche gleichabständig machen möchte. Wenn man es dann schafft, zeigt sich die Schwierigkeit, das wieder physikalisch abzubilden.

Hier ist unser HLC Colour Atlas, der den CIELAB Farbraum abbildet, soweit er im Proofdruck abgebildet werden kann. Auch hierzu die Frage, was halten Sie davon? Und was halten Sie vom Normalbeobachter nach CIE, der aufgrund recht weniger Probanden ermittelt wurde? Die Angaben in der Literatur schwanken zwischen 5 und 20 Probanden.

Also wir haben hier das gleiche wie da, so wie ich das zunächst mal sehen würde, aber, wie gesagt, ich schließe jetzt von meiner Wahrnehmung. Man muss, wie Sie zurecht sagen, das mit einer sehr großen Zahl von Beobachtern machen und darauf achten, dass sie wirklich farbtüchtig sind, dass sie Trisomaten sind, also zum Beispiel keine Rot-Grün-Schwäche haben. Das ist schon eine Selektion, man könnte diese verfeinern, es würde zu weit führen, man will es ja auch praktikabel halten.

So wie ich das sehe, haben wir hier genau das gleiche Problem wie bei dem NCS-Kreis: Der Gelbbereich ist zu eng, man müsste ihn weiter dehnen. Wir können ja zwischen 1,5 und 7,5 Millionen Farben unterscheiden, und besonders sensibel sind wir für den Gelbbereich. Dieser müsste weiter gedehnt werden, und andere könnten zusammen gestaucht werden. Das Problem ist, dass dies ja übertragen werden müsste auf die gesamten Ausgabesysteme. Der Anspruch ist zwar da, dass man es erlebnismäßig macht, aber ich würde mal sagen: der Anspruch ist nicht erfüllt.

Ich sehe dies auch im technischen Bereich. Es ist ja möglich, über RGB 16 Millionen Farben darzustellen. Die meisten hiervon können wir gar nicht unterscheiden. Man denkt: 16 Millionen ist so riesig, das ist viel mehr als die maximal siebeneinhalb Millionen, die wir unterscheiden können. Aber im RGB-Bereich ist ein großer Teil im Blaubereich, wo man das vergessen kann, die sind zu ähnlich, um sie zu unterscheiden. Wenn man hingegen im RGB-Modell Streifungen ansieht, die im Gelbbereich nebeneinander stehen, sieht man sehr feine Unterschiede.

Bei Gelb reichen die 16 Millionen gar nicht. Eigentlich muss ich den Gelbbereich ausdehnen zu Lasten von Blau. Dies ist aber technisch schwierig.

Die Umsetzung der erlebten Unterscheidung in das physikalische ist eine Aufgabe, die ich noch nirgends vollständig und befriedigend gelöst sehe. Wenn das einmal gelänge, wäre das ein großer Wurf. Ich weiß nicht, ob es gelingt, und wenn, dann ist es immer noch eine Pauschallösung über alle Trisomaten hinweg, damit müsste man dann leben, aber das wäre auch schon ein großer Gewinn.

Wenn man neues ansteuern würde, dann sollte man die Feinabstufungen im Gelbbereich noch einmal verstärken. Das Gelb leuchtet ja geradezu aus dem Farbkreis heraus, während der Blaubereich, der Grünbereich und der Violettbereich in sich relativ homogen sind. Das Gelb ist ein viel zu schmaler Bereich.

Also, da ist das CIELAB-Modell noch nicht gelungen. Für die Zukunft wäre sicher noch was zu machen, vielleicht ein neuer Atlas anzufertigen, der speziell darauf Rücksicht nimmt. Wie sensibel man ist, sieht man auch daran, dass speziell dieses Orange hier etwas zu bräunlich ist.

Das liegt auch an der drucktechnischen Umsetzung.

Ja. Da haben wir ein weiteres Problem. Ich habe auf Ihrer Webseite gesehen, dass man versucht, RGB-Farbe und CMYK ineinander zu übersetzen. Das versuchen viele andere auch, aber es geht irgendwie nicht. Es sind Farbbereiche, die teilweise miteinander zur Deckung zu bringen sind, aber jeder Bereich hat seine Bereiche, die das andere System gar nicht erfasst.

So ein leuchtendes Blau wie auf dem Bildschirm kriegen wir drucktechnisch einfach nicht auf die Reihe, das geht nicht, zumindest nicht im Vierfarbendruck Es liegt an der Art der Mischung und liegt an der Art der Farbigkeit, die hier durch Mischung zustande kommt. Da kriegen wir diese pure Farbigkeit im Blaubereich zum Beispiel gar nicht hin. Wir können so ein leuchtendes Blau nicht machen. Orange ist ein Riesenproblem, Gelb kommt hingegen relativ gut heraus im Druck. Es gibt Bereiche, wo ich immer Kompromisse eingehen muss, um einigermaßen befriedigende Lösung zu finden.

Ich habe ja mehrere Bücher geschrieben. Hierbei habe ich, wie man es heute macht, die Farbdaten am Computer entworfen, und ich war hinterher entsetzt über manches. Es fängt gleich an mit dem Farbenkreis, den ich darstelle, von dem ich ausgehe gleich am Anfang. Ich dachte: du liebe Güte das darf doch nicht wahr sein, das ist doch kein Blau! Wir kriegten das Blau einfach nicht zum Leuchten.

Das Orange ist auch nicht drauf, und auch nicht dieses Blau hier. Dies ist weitaus besser (zeigt auf den HLC Atlas).

Dies ist ein Sieben-Farben-Druck am Epson-Proofdrucker.

Ja, da haben Sie mit 7 Farbendruck gearbeitet! Aber die meisten versuchen es mit 4 Farben, also mit drei Farben und Schwarz dazu. Das ist ja im Grunde schon gemogelt und eine Art Kompromiss, den man durch das Schwarz noch reinbringt. Ohne das Schwarz wäre alles gries und grau, bekämen wir überhaupt keine richtigen Farbgegensätze und keine ordentlichen Kontraste. Beim Vierfarbendruck kommt das Blau einfach nicht.

Mit dem 7-Farbendruck kann man natürlich viel mehr hinbekommen, aber das ist in der Praxis viel teurer. Welcher Verlag produziert ein normales Buch im 7-Farben-Druck? Ich bin sehr froh über dieses Buch, es war teuer genug in der Herstellung, und deswegen musste ich mich mit diesem Kompromiss zufrieden geben.

Wie sehen Sie die Zukunft der Farbsysteme?

Es würde mir schon reichen, wenn man wirklich ein System bekommt, dass man zwischen den RGB-Farben des Bildschirm und denen des Vierfarben- und des Siebenfarbendrucks – damit ist man dann ein bisschen dichter dran – dass man diese Zuordnungen eindeutig macht. Freie Farbe beansprucht das ja, ich möchte aber bezweifeln, dass man schon am Ende der Fahnenstange angelangt ist.

Die Welt wird immer weiter digitalisiert durch die Verwendung der Medien und ist daher immer mehr bildschirmbezogen, aber wir werden ohne Pigmentfarben sicherlich nicht auskommen. Die Aufgabe ist, Bildschirmfarben und Pigmentfarben eindeutig auf einander zu beziehen. Das ist für die nächste absehbare Zeit eine vorrangige Aufgabe, die noch nicht erfüllt ist, da muss man also noch etwas tun. Man sieht es an bestimmten Farbbereichen, wo es noch hakt.

Wenn man einen Farbatlas hat, in dem man gedruckte Farben aussucht, auf dem Bildschirm korrekt angezeigt bekommt, und hiermit exakte Pigmentfarben auf meinem Auto erhalte, dann ist man schon sehr weit. Dies wäre das Nahziel, das erreicht werden muss. Vielleicht werden wir nie ans absolute Ende kommen, aber mit Farben als Pigmente und Bildschirmfarben praktikabel umzugehen, wäre schon ein großer Schritt. Ich bin ja schon froh, wenn meine Fotos vernünftig aus der Druckstation herauskommen.

Es geht hierbei auch um die Genauigkeit. Dies ist vor allem in Pastellfarben schwierig, weil hier eine kleine Änderung oder ein Fehler in der Farbdüse oder im Pigment sofort zu einer deutlichen Farbabweichung führt.

Ja, wie geht man da weiter vor? Ein interessanter Punkt ist: bisher ist man meistens von Pigmentfarben ausgegangen. Man könnte aber besser von Bildschirmfarben ausgehen, weil wir hier mit RGB eine hohe Entsprechung zu den Zapfentypen in unserem Auge haben. Ein idealer Zustand wäre, sich bei den drei Bildschirmfarben noch genauer zu orientieren an dem, was ein normaler Trisomatiker an Empfindlichkeiten hat. Wenn man also Leuchtfarben entwickeln könnte, die dem Spektralverlauf der Empfindlichkeit drei Zapfentypen im Auge entsprechen. Und zwar inklusive des kleinen Anfangsbuckels im Violettbereich beim L-Typ. Dieser ist vermutlich dafür verantwortlich, dass wir den Anfang und das Ende des Spektrums als ähnlich purpurviolett empfinden, und dass das Spektrum der Farben zu einem kreisartigen, zirkulären Gebilde geschlossen werden kann.

Die Technologie wäre also an der Reihe, drei RGB-Farben für den Bildschirm zu entwickeln, deren Spektren die Zapfenempfindlichkeiten möglichst exakt nachbilden. Dieses wäre dann auch eine gute Grundlage für die Entwicklung zugeordneter Pigmentfarben.

Empfindlichkeitsbereiche der drei Farbrezeptoren des menschlichen Auges. Zumindest beim S-Typ reicht die Empfindlichkeit auch in den Ultraviolettbereich hinein. Gäbe es einen Rezeptortyp für den Bereich zwischen S- und M-Typ, könnte durch Differenzbildung zum S-Typ auch UV wahrgenommen werden.”

Waren Sie als Erfinder auch im Bereich Farbe aktiv?

1971 habe ich ein Farbmischgerät erfunden. Es funktionierte als Kreisel mit drei Scheiben, die man mittels zweier Differenzialgetriebe verstellen konnte, während der Kreisel sich drehte. Ich sendete es an eine amerikanische Firma zur Prüfung und habe nie wieder etwas von denen gehört. Da war ich natürlich stinksauer. Einige Jahre später habe ich ein anderes Modell bauen lassen, das im Prinzip funktionierte. Man konnte die Anteile der Mischfarben fortlaufend verstellen und erhält alle möglichen partitiven Farbmischungen. Doch dann kamen die neuen Medien mit Farbmonitoren, da war diese Technologie der Farbmischung dann nicht mehr gefragt.

Vorhin hatten wir den Punkt, dass wir mit unserer Wahrnehmung nur ein Bild von der Realität haben. Wenn wir uns mit den Medien immer weiter der Realität annähern, liegt nicht die Gefahr auch darin, dass wir eines Tages die Medienwiedergabe für die Realität halten? Es ist doch auch jetzt schon so, dass immer mehr Menschen sich in den virtuellen Welten und im Bezug zur Realität verlieren.

Man kann es auch umgekehrt sehen. Momentan haben wir eine Übertreibung der Realität, eine Übersteigerung zum Beispiel in der Farbigkeit, die so schreiend und grell ist, dass es überhaupt nicht mehr der Realität entspricht. Aber es ist das Signal, das die Leute offenbar anspricht, wo sie hingucken: ständiger Wechsel, kein Spot darf länger als drei Sekunden dauern, es ist furchtbar.

Ich würde eher vermuten, dass man Verdruss bekommt, ständig mit diesen schreienden Farben der digitalen Medien überflutet zu werden, und dass man den viel reicheren Schatz natürlicher Farben neu schätzen lernt.

Meine Frau ich sind lange Zeit auf Nordlicht-Jagd gegangen. Wir waren überall im Bereich des Polarkreises. 2017 waren wir in Alaska bei minus 40 Grad und haben das schönste Nordlicht erfahren, dass man sich vorstellen kann. Der Himmel brannte sozusagen. Das war so perfekt, dass wir jetzt damit aufgehört haben, denn es kann nicht besser werden. Sogar die Einheimischen sagten damals, so ein tolles Spektakel hätten sie seit mehreren Jahren nicht erlebt.

Ich habe gemerkt, die direkte Erfahrung des Nordlichtes war phantastisch, aber es war sehr verhalten. Grün war immer vorhanden, aber die anderen Farbtöne waren immer nur ansatzweise enthalten.. Was man meistens auf Fotos von Nordlichtern in den Medien sieht, sind totale Übertreibungen.

Nordlicht über Alaska. M. K. 2017

Auf eigenen Fotos versuche ich, dem unmittelbaren Eindruck nahezukommen.

Diese Erfahrung lehrte mich: die eigene, unmittelbare Erfahrung der verhaltenen Farbigkeit hat ihren ganz besonderen Reiz. Ich freue mich über jede Spur von Rot und Blau, die ich überhaupt sehe. Auf Fotos ist das gar nichts besonderes. Diese Besonderheitserfahrung habe ich nur in der Natur.

Wobei doch das Jahrzehnt der schreienden Farben längst vorbei ist. Wenn ich zum Beispiel an Auto- und Modefarben denke, dann ist man von den grellen Farbtönen weg gekommen.

Ich kann verstehen, dass es dieses Bedürfnis gegeben hat. Oft hing es damit zusammen, dass Pigmente verfügbar waren, die vorher nicht oder nicht in lichtechter Form verfügbar waren.

Einmal bekam ich einen Anruf aus der Autoindustrie. Sie wollten wissen, welche Farben in näherer Zukunft für die Verbraucher interessant sein würden. Da kam ich auf einiges zu sprechen, ich vermutete, dass Schwarz und Weiß und auch Grau in leicht abgetönter Form aus den genannten Gründen ein gewisse Zukunft haben würde. Diese Vermutung hat sich bewahrheitet.

Eine Farbe, der ich überhaupt keine Zukunft einräumte, war Gold. Es wäre sofort erkennbar als falsches Gold, als etwas, das mehr vorgibt als es ist. Vielleicht hätte es eine Chance bei den Scheichs, hier bei uns aber würde es nur Sozialneid hervorrufen. Bis heute hat Gold als Sonderfarbe bei Autos keine Bedeutung.

Sie erinnern mich ungemein an Hoimar von Ditfurth. Ist die Schublade des Universalgelehrten für Sie relevant?

In dieser Tradition finde ich mich durchaus wieder. Vorbilder sind für mich Heinz Haber, Hoimar von Ditfurth oder aktuell Harald Lesch. Und ich möchte auch den Hirnforscher Erwin-Josef Speckmann nennen, mit dem ich viel zusammenarbeite.

Welches Leben, welche Erfahrungen stecken dahinter?

Schon als Dreijähriger bin ich stundenlang allein durch Wald und Feld zum Kindergarten marschiert. Ich hatte dann das Glück, in einer Schule und Schulklasse zu sein, in der man sich gegenseitig in seiner Individualität tolerierte. Aber im Physikunterricht habe ich vieles überhaupt nicht verstanden, Erdkunde hat mich gar nicht interessiert, ich hatte ein ganz schlechtes Zeugnis, habe mich durchlaviert. Ein paarmal war ich auch kurz davor sitzenzubleiben.

Meine Interessen an Physik, Chemie usw. entwickelten sich erst nach der Schule. Ich fand nun neuen Zugang dazu, fand das nun ungemein spannend und faszinierend, während mir die Didaktik der Schule das Interesse erlahmen ließ. Dort war alles so formalistisch und so nüchtern und trieb das Staunen aus, das am Anfang allen wissenschaftlichen Fragens steht..

Sehr stark geprägt bin ich durch meinen Onkel. Er war über viele Jahre Direktor der Universitätskliniken in Jena und begeisterter Naturwissenschaftler. Bei ihm habe ich mit 18 Jahren meine erste Vorlesung gehört, es ging um Hypnose. Ich sah, wie man Menschen unter Hypnose in eine kataleptische Starre bringen kann, oder dass man mit Hypnose das Schmerzempfinden ausschalten kann. Das war letztlich auch der Auslöser für mein Psychologiestudium.

Die Astronomie hat mich auch immer wahnsinnig begeistert. Ich hatte mein eigenes kleines Fernrohr und beobachtete die Sterne und die Jupitermonde, wie sie in wechselnden Konstellationen den Jupiter umkreisten. Als ich später in die Arbeitsgemeinschaft Astronomie in der Schule kam, dachte ich, ich lerne etwas Neues, aber ich wusste alles schon.

Ich habe immer versucht, in großer Freiheit lebensnahe Zugänge zur Wissenschaft zu finden, auch weil ich wusste, sobald man anfängt, ein bestimmtes Gebiet als Spezialist zu bearbeiten, wird das schnell zur Dünnbrettbohrerei. Dies Gefühl hatte ich auch, als ich in der Psychologie über viele Jahre Diplomarbeiten betreute, oft ging es darin um Fragen, die schon ein Jahr später niemanden mehr interessierten.

Was interessiert Sie?

Mich interessieren die großen Fragen. Zum Beispiel: in welchem Zusammenhang steht unsere Gehirntätigkeit, also etwas ganz materielles, mit unserem Bewusstsein? Diese Frage lässt mich bis heute nicht los, ich diskutiere sie häufig mit dem Hirnforscher Erwin Josef Speckmann. Unser Bewusstsein, was ist das eigentlich? Ich bin zwar mit der Antwort noch nicht sehr weit gekommen, aber eine Ahnung habe ich schon, inwiefern dem Bewusstsein nicht nur die Rolle eines Epiphänomens zukommt, sondern eine notwendige Hauptrolle..

Oder eine andere Frage. Viele sagen, ich will mit Wissenschaft nichts zu tun haben, die erklären einem alles tot, die erklären die letzten Geheimnisse weg. Ich sage: nein, es ist genau umgekehrt, man muss herangehen bis zur allerletzten Frage, wo es nicht weitergeht, und dann wird das wirklich spannend und interessant.

Gerade beim Thema Farben ist es so. Was sind denn Farben? Farben sind etwas erlebtes, also ein Teil unseres Bewusstseins. Und wie komme ich ans Bewusstsein heran? Was ist das für eine Entität?

In der Physik hat man die verschiedenen Naturkräfte: die elektromagnetische Kraft, die Gravitationskraft, die schwache und die starke Kernkraft. Man versucht, eine Theorie von allem zu formulieren, indem man diese Grundkräfte miteinander verbindet.. Was ist denn jetzt mit dem Bewusstsein? Ein Physiker, der beansprucht, die ganze Welt zu erklären, muss auch Antworten auf die Frage geben können, was ist denn im physikalischen Bereich mit dem Bewusstsein? Wo bringt man es unter?

Das Bewusstsein wird ausgeklammert und ausgegrenzt, lange Zeit sogar bei den Psychologen. Skinner hat gesagt, Bewusstsein, das kann ich nicht untersuchen, also behandle ich es, als wäre es nicht existent. Die amerikanische Psychologie hat bis in die 70er Jahre hinein benötigt, um das Bewusstsein wieder für sich zu entdecken, heute ist es ein Riesenhype in den USA. Für uns in Deutschland war es in der Gestaltpsychologie längst Thema gewesen. In dieser Schule bin ich aufgewachsen.

Was mich hierbei interessiert: was macht das Bewusstsein aus? Man kann es an Schmerz, an Freude, Lust und so weiter festmachen, hierfür gibt es keine physikalischen Entsprechungen. Der direkteste Zugang zum Bewusstsein sind für mich aber die Farben. Farben sind für mich der Inbegriff dessen, was wir bewusst erleben, und es lässt sich doch physikalisch nicht packen. Das finde ich so faszinierend.

Von der Hirnforschung her gibt es Ansätze, wie man dem Phänomen Farbe beikommen könnte. Es gibt vermutlich Gehirnvorgänge, die direkt mit dem Erleben von Farben für tun haben. Vielleicht findet man diese, aber: dann hat man immer noch nicht die Qualitäten als solche. Das Problem der “Qualia”, wie es die Philosophie bezeichnet, das bleibt nach wie vor.

Man braucht gar nicht in die Quantenphysik zu gehen, die kein Mensch versteht, außer ein paar Spezialisten, um zu merken: es gibt Grenzen, wo unser Wissen nicht mehr ausreicht und unsere Vorstellungsfähigkeit völlig überfordert ist. Solche Grenzen interessieren mich. Diese Grenzen führe ich auch gern an, wenn ich erkläre, warum ich mich mit Wissenschaft beschäftige. Ich versuche Dinge zu erklären, nicht mit dem Anspruch, alles weg zu erklären, sondern um die Rätselhaftigkeit der Welt sichtbar zu machen an den Grenzen, die sich immer deutlicher zeigen. Das weiß die Physik auch, und das weiß auch die Bewusstseinsforschung. Solche Grenzen faszinieren mich.

Ich habe auch gar kein Problem damit, offene Fragen offen zu lassen. Es gibt viele Wissenschaftler, die sagen, man muss eine Antwort finden, man muss einen Artikel mit klaren Antworten beenden, sonst ist es keine Wissenschaft. Ich sagte nein, Wissenschaft ist eine offene Sache, wir müssen davon ausgehen, dass es Fragen gibt, die wir noch nicht oder vielleicht nie beantworten können, oder von denen wir überhaupt nicht ahnen, dass es sie überhaupt gibt.

Ich sehe mich selbst tatsächlich wie eine Art Schwamm, der versucht, so viel wie möglich von der Welt in sich aufzusaugen, zu begreifen, um das Unbegreifliche erahnen zu können. Bis an diese Grenze zu gehen, finde ich ungemein spannend. Ich begeistere mich an dem, was man direkt erleben kann, oder was man auch wissen kann, und ich versuche, die Fenster und die Türen aufzumachen, durch die ich gucken kann, durch die ich gehen kann.

Nach der Quantenphysik gibt es “Verschränkungen” über große Distanzen, die offenbar nicht an die Grenzen der Lichtgeschwindigkeit gebunden sind. Mit “verschränkten Photonen” wird bei einem PET in der Medizin schon jetzt gearbeitet! Die moderne Technologie arbeitet höchst erfolgreich mit einer Physik, die kaum jemand versteht. Das ist verrückt! Speckmann und seine Kollegen arbeiten daran, quantenphysikalische Effekte in die Hirntheorie einzuarbeiten. Wer weiß, was da noch möglich ist? Für mich steckt da noch viel Musik drin, die in der Zukunft noch sehr viel weiter entwickelt werden kann. Wir sollten uns immer auch darüber bewusst sein, dass es unbeantwortete und unbeantwortbare Fragen gibt.

Ich möchte noch auf unseren Verein zu sprechen kommen. Sie hatten in der E-Mail angesprochen, dass Sie dem Gedanken “freieFarbe” mit gemischten Gefühlen gegenüber stehen, weil man ja auch Urheberrechte beachten müsse, was für Sie als Spieleentwickler durchaus wichtig sei.

Ja, vielleicht können Sie noch einmal definieren, in welcher Form und was eigentlich frei werden soll.

Es gibt mehrere Farbkollektionen, für die urheberrechtlicher Schutz reklamiert wird. Pantone, RAL und NCS sind drei Beispiele. Die Hersteller sehen das ähnlich wie bei Melodien, die ja auch urheberrechtlich relevant sind. Sie dürfen diese Farbkollektionen nicht selbst veröffentlichen.

Dann gibt es den Fall der Farbmarken, wo bestimmte Farben in bestimmten Wirtschaftsbereichen auf einen Hersteller markenrechtlich geschützt und damit dem Gebrauch entzogen werden. Bekannte Beispiele sind Nivea, Milka und UPS. Konkurrierende Hersteller dürfen dann keine Produkte in ähnlichen Farben heraus geben.

Farben sind für uns nichts anderes als in uns stattfindende Erlebnisse, Gedanken und Gefühle, und diese sollten frei sein. Der Volksmund sagt ja: “Die Gedanken sind frei.” Da läuft aus unserer Sicht etwas schief in der Welt, deswegen haben wir den Verein gegründet.

(Er blättert im Pantone-Fächer.)

Finden Sie das Farbenfeld auf der rechten Seite des Würfels, das hier im Bild in der gleichen Farbe gedruckt ist wie das markierte Feld auf der Oberseite. Es ist das Feld in der 3. Reihe, 2. Spalte. Man glaubt es kaum.

Was ist an dieser Farbe denn eigentlich geschützt? Das wüsste ich mal gern, das leuchtet mir nicht ein. Man kann eine bestimmte Pigmentmischung oder ein Verfahren zur Herstellung einer Farbe schützen. Man kann darüber diskutieren, ob die Anwendung oder das Rezept zu schützen ist. Was nicht zu schützen ist, ist das Erlebnis, das ich habe. Das ändert sich ja schon je nach Beleuchtung. Sehen Sie einmal dieses Beispiel mit dem mehrfarbigen Würfel. Da gibt es zwei Flächen in Druckfarben, die objektiv gleich sind, aber ganz verschieden aussehen. Welche Farbe wollen Sie denn jetzt schützen?

Unabhängig von Herstellung und Pigmentmischung kann man den reinen Spektralverlauf einer Farbe nicht schützen. Alles was in der Natur vorkommt, kann man nicht schützen. Ich kann auch nicht Gedanken schützen.

Ein ähnliches Problem haben wir in der Genforschung. Was soll da nicht alles geschützt werden, das in der Natur längst existiert? Ich vertrete ganz klar den Standpunkt: das geht nicht.

Vielen Dank für dieses Interview, Herr Professor Kobbert.


Die Fragen stellte Holger Everding.

Literaturtipp

Max Kobbert: Das Buch der Farben. wbg Theiss 2019 (2. Aufl.)[:en]

Color People Interview

Dr. Andreas Kraushaar, FOGRA

Dr. Andreas Kraushaar

Dr. Andreas Kraushaar (39) ist Leiter der Abteilung Druckvorstufentechnik bei der Forschungsgesellschaft Druck e.V. (FOGRA). Die FOGRA ist eine gemeinnützige Institution mit Sitz in München, die sich vor allem der Standardisierung und Qualität in Druckprozessen widmet. Neben dem “Prozesstandard Offset” (PSO) sind die FOGRA-ICC-Profile in Druckereien bekannt. Aktuell ist z.B. “FOGRA39”, mit dem Farbe sinnvoll in CMYK für den Offsetdruck auf gestrichenen Papieren gewandelt werden kann.

Dr. Kraushaar ist nach seinem Medientechnik-Studium an der TU Ilmenau in die FOGRA eingetreten. Dort hat er parallel sein Promotion an der RWTH Aachen abgeschlossen. Zahlreiche praktische und wissenschaftliche Veröffentlichungen stammen von ihm, und er ist maßgeblich an der Umsetzung des Prozessstandards Digitaldruck (PSD) beteiligt. Er bekleidet bereits in jungen Jahren eine einflussreiche Position im Bereich Farbe – und dies mit größtem Enthusiasmus.

Kraushaar stammt aus dem Eichsfeld und lebt jetzt in München.

Fragen an Andreas Kraushaar

Herr Kraushaar, welches ist Ihre Lieblingsfarbe und was verbinden Sie damit?

Das ist bei mir ziemlich profan. Meine Lieblingsfarbe ist Grün. Ich habe mein erstes Auto Kawasakigrün-Metallic lackieren lassen. Heute schäme ich mich fast dafür, aber es war die Zeit, ich fand es sehr attraktiv und finde es immer noch sehr schön. Wenn ich mir heute zum Beispiel Spielsteine aussuchen darf, wähle ich Grün. Dies ist ja auch die Farbe der Hoffnung – ich war früher Messdiener und habe die grünen Messkleider sehr gern getragen.

Wie gelangten Sie zum Thema Farbe?

Ich habe in Ilmenau Medientechnik studiert und kam durch Zufall zur Lichttechnik. Dort habe ich Professor Dietrich Gall und dessen Vorlesungen kennen gelernt. Was mich fasziniert hat, ist, dass er als Farbfehlsichtiger einen ganz besonderen Zugang zu Farbe hatte. Er war zum einen fasziniert von Farbe, wollte aber auch die Urteile der andere verstehen und wissenschaftlich falsifizieren. Er versuchte also unsere Aussagen geschickt zu hinterfragen und uns vor Hürden zu setzen. Das fand ich sehr spannend und interessant. Professor Gall hat auch das wissenschaftliche und das harmonische Wesen der Farbe sehr schön voneinander getrennt. Professor Gall, der heute im Ruhestand, aber immer noch sehr aktiv ist, ist der Grund dafür, dass ich mich heute so intensiv mit Farbe beschäftige.

Was ist heute Ihre Aufgabe betreffs Farbe?

Im Bereich der Forschungsarbeit der Druckvorstufe der FOGRA habe ich eine gewisse Gestaltungsfreiheit. Das ist ein weiterer Grund, weshalb ich mich dort sehr wohl fühle. Ich arbeite nicht nur feste Programme ab, sondern kann eigene Schwerpunkte setzen und selbst entscheiden, wohin die Reise geht. Es ist meine Aufgabe, den praktischen Umgang mit Farbe im Druck sehr gut zu beherrschen, damit wir in Seminaren, Prüfungen und Symposien den Spagat zur praktischen Nutzung treffen. Wir müssen auf der einen Seite die Programme gut kennen, damit wir wissen, wie man es es gut umsetzt, und es auf der anderen Seite die Vorgehensweisen gut kommunizieren. Es ist meine Hauptaufgabe, die praktischen Herausforderungen im Bereich ColorManagement, Bildschirmmessung, Modellierung zu beherrschen und in einfachen Worten für die Zielgruppe aufzubereiten.

Wohin geht die Reise?

Bei der Bildqualität ist Farbe nach wie vor ein sehr wichtiger Aspekt. Farbe im 3D Druck wird ebenfalls ein wichtiges Thema. Bei Farbe und Appearance kommen zur Farbe selbst weitere Aspekte hinzu wie die Textur, der Glanz, die Oberflächenbeschaffenheit und der Blickwinkel.

Die FOGRA

Woran arbeiten Sie momentan?

Aktuell arbeite ich am Thema Farbe von Zähnen. Das ist nicht nur sehr spannend, sondern auch das demütigste Thema, das ich bisher erlebt habe, denn dort hat man neben der Reflexion die Herausforderungen Opaleszenz, Transparenz, Transluzenz, Fluoreszenz. Es ist die Königsdisziplin, ich bin gespannt, wie sich das Projekt entwickeln wird.

Das Thema Farbe ist immer spannend und herausfordernd, auch wenn ich mich “nur” auf den Bereich der Farbmetrik, Farberscheinung, Farbdifferenzen konzentriere.

Was fasziniert Sie am Thema?

Es ist die Interdisziplinarität. Wir haben so viele Zugänge und so viele Ansätze zur Farbe! Farbharmonie, Augenkunde, Farbphysiologie, Farbphysik,.. Man kann als Ingenieur, Physiker, Designer, als Biologe oder Psychologe mit Farbe arbeiten. Mich fasziniert immer wieder die Schönheit der Farbe, und der gleichzeitige technische Blick: wie kann ich die Farbe in der einen oder anderen Weise möglichst exakt reproduzieren, wie metamer ist es?

Vielen Dank für dieses Interview, Herr Dr. Kraushaar.


Die Fragen stellte Holger Everding.

Weitere Informationen

…finden Sie unter http://www.fogra.de.[:]