Mitten in der trüben Jahreszeit, am 22. November 2021, veröffentlichte Adobe eine Notiz im Hilfesystem, die es in sich hat:
Changes coming to the Pantone Color Libraries
In March, 2022, the Pantone Color Libraries that are pre-loaded in Adobe Photoshop, Illustrator, InDesign, Adobe Color, and Adobe Capture will be removed from future software updates. To minimize the impact of this change, we are working on an alternative solution for the affected products. Stay tuned for updates.
Übersetzung: Im März 2022 werden die Pantone-Farbbibliotheken, die in Adobe Photoshop, Illustrator, InDesign, Adobe Color und Adobe Capture vorinstalliert sind, aus zukünftigen Software-Updates entfernt. Um die Auswirkungen dieser Änderung zu minimieren, arbeiten wir an einer Alternativlösung für die betroffenen Produkte. Bleiben Sie dran für Updates.
Wie ist diese Nachricht einzuschätzen?
Der Eintrag kommt einem Erdbeben in der Farben- und Gestaltungsbranche gleich. Es ist nicht nur so, dass viele Adobe-Anwender mit den Pantone-Farben arbeiten und demnächst auf alternative Lösungen (welche?) zurückgreifen werden. Es dürfte der seit den 90er Jahren festen Integration in die Adobe-Produkte maßgeblich mit zu verdanken sein, dass Pantone heute die weltweit führende Rolle der Farbsysteme spielt. Pantone ist heute so sehr etabliert, dass man nicht mehr darauf verzichten kann. Multinationale Konzerne, unabhängige Institutionen, ganze Staaten (sogar die EU! – siehe hier) haben ihr Corporate Design nach Pantone definiert. Dies wohl unter der Annahme, dass Pantone-Farben für alle Zeiten gut verfügbar sein würden. Dies ist aber ein Trugschluss, was nun vielen klar werden dürfte.
Sobald die Adobe-Software keine Pantone-Farben mehr enthält, wird dies zunächst einen Run auf Pantone Connect auslösen, wo man sich die aktuellsten Pantone-ACB-Farbpaletten herunterladen kann. Dies ist umständlicher als die direkte Integration im Programm, und es stellt sich die Frage, ob dies dauerhaft kostenfrei möglich sein wird, denn für Pantone wäre dies kein lukratives Modell. (Aktuell wird unterschieden zwischen einem kostenfreien Basic-Zugang und einem kostenpflichtigen mit erweiterten Bestandteilen). Es ist zu vermuten, dass Pantone-User sich umorientieren. Es ist auch zu vermuten, dass andere Softwarehersteller, vor allem aus Lizenzkostengründen, dem Beispiel von Adobe folgen werden. So wird die Bedeutung von Pantone zurückgehen… früher oder später wird sich Pantone als das erweisen, was es im Kern ist, seitdem sich Lawrence Herberts in den 1950er Jahren als Part-Time-Employee eines Druckfarbenherstellers aufmachte, die Welt der Farbe mit seinem System zu verändern: ein hirnarmer Dinosaurier, der den Anforderungen einer sich verändernden Welt irgendwann nicht mehr gewachsen ist – da nützt das ausufernde Marketing mit „Pantone-Hotels“ und der „Color of the Year“ nur wenig.
Die mangelnde Qualität des Systems dürfte den meisten Lesern dieser Zeilen bekannt sein:
- unübersichtliche Vielfalt an Farbfächern und darin enthaltener Farbtöne
- hiermit verbundene lückenhafte Softwareintegration
- mangelnde Genauigkeit und hohe Metamerie der Farbfächer und Farbtöne, bedingt durch diverse Hersteller mit verschiedenen Papieren und Pigmenten
- sehr restriktive Lizenzpolitik, keine frei zugängliche Quelle für Farbwerte
Warum sollten die Adobe-Anwender bereit sein, für den Zugang zu Pantone-Farben, der ja immer kostenlos war, Geld zu bezahlen? Warum sollte Pantone bereit sein, seine Farbkollektionen für Adobe Anwender kostenlos bereit zu stellen, während zahlreiche andere Softwarehäuser Lizenzgebühr entrichten?
Wohin wird der Weg gehen?
Es dürfte klarer werden: berechnete und frei verfügbare Farben sind weitaus sinnvoller als Farbkollektionen kommerzieller Anbieter. Mit ihnen kann man viel systematischer arbeiten, man braucht keine Lizenzgebühr hierfür zu bezahlen, sie stehen quasi in jeder Software kostenlos zur Verfügung, und vor allem: man macht sich nicht abhängig von Rechteinhabern, die hauptsächlich den „Schutz“ „ihrer“ Farben im Sinn haben… Wir empfehlen als einfache Lösung RGB, und als qualitativ bessere CIELAB, vor allem CIE-HLC.
Viele Marktlücken tun sich auf!
Was nun?
Wir werden versuchen, einen Teil zur Diskussion und zu den anstehenden Entwicklungen beizutragen. Momentan ist eine erste Idee, Kontakt zu Adobe aufzunehmen, um an der „alternative solution for the affected products“ mitzuwirken.
Weitere Ideen werden folgen, wir halten Sie auf dem Laufenden.
Machen Sie mit bei der Farbbefreiung – es ist spannender denn je.
freieFarbe e.V.
Der Vorstand
Weitere Informationen
Notiz im Adobe Hilfesystem
Ein etwas tiefer gehender Artikel der Printweek zum Thema mit mehreren Stellungnahmen
Pantone bei Wikipedia
Pantone Connect
Beschreibung mehrerer Fehler der Pantone/Adobe-Integration
Liste der Pantone-Lizenznehmer im Softwarebereich
Pantone Hotel Brüssel
Color of the year
Portrait des Firmengründers Lawrence Herbert
Artikel und Podcast: Episode of Thrilling Tales of Modern Capitalism