Plädoyer für eine wahrnehmungs­­gerechtere Farbwahl in Software

Prof. Alexander Sahoo, Hochschule für Künste, Bremen

Computersoftware stellt in aller Regel zu eingeschränkte Möglichkeiten für die Farbwahl zur Verfügung. Visuelle Farbwähler (also Farbfelder und Farbbalken mit Reglern, welche Schnitte durch Farbräume darstellen, siehe Abb. 1), mögen halbwegs funktionieren, geht es jedoch um die feine Einstellung einzelner nahe beieinander liegender Farbnuancen, sind sie zu ungenau.

Für kleine präzise Schritte arbeitet man am Computer am günstigsten numerisch. Hier sind die Standardangebote der meisten Programme auf eine Auswahl folgender Systeme beschränkt: RGB (Rot, Grün, Blau), CMYK (Cyan, Magenta, Yellow, Key = Schwarz), LAB (Lightness, a, b) und HSB (Hue, Saturation, Brightness). Alternativ gibt es die bekannten Paletten für vorausgewählte Farbtöne (Pantone, HKS, etc.).

RGB und CMYK

Die Systeme RGB und CMYK sind gerätespezifische Systeme. RGB bezieht sich auf Mischung aus farbigem Licht (z.B. auf Monitoren) und CMYK bezieht sich auf Mischung durch Vierfarbdruck (z.B. Offsetdruck). Im Bezug auf diese Technologien haben sie ihre klare Notwendigkeit. Für eine wahrnehmungsgemäße Farbwahl jedoch sind sie eher unpraktisch. Sie entsprechen keinem einfach vorstellbaren kognitiven Modell eines Farbraumes. Oder wer könnte ohne viel zu überlegen, sagen, welche RGB-Werte ein „neutrales“ Gelb ergeben? Da es sich beim RGB-System um ein additives System von Lichtmischung handelt, ist hier die Vorstellung besonders schwer, da unser Denken sehr von der subtraktiven Pigmentmischung geprägt ist. Aber auch das Mischen von Druckfarben hat seine Tücken: aus welchen CMYK-Anteilen wird Lila (= helles Violett) gemischt?

Beispiel eines Farbwählers (Adobe Photoshop)

CIELAB

Das LAB-System (CIELAB) ist ein geräteunabhängiger Farbraum. Einer der Vorteile des LAB-Farbraumes sind seine vier Pole (an Stelle von drei Grundfarben). Es entspricht viel mehr unserer Wahrnehmung, von einem zum Grün oder zum Rot tendierendem Gelb zu sprechen als von einem zu Blau tendierendem Gelb. Auch können wir uns ein Blaugrün (Türkis) besser vorstellen als ein Blaugelb (nach Ewald Hering gibt es die vier psychologischen Urfarben Gelb, Grün, Blau und Rot). Als Farbraum ist dieses System sehr brauchbar, die Parameter bzw. Koordinaten a und b jedoch sind sehr unanschaulich. Die Pole der X-Achse sind Rot und Grün, die Pole der Y-Achse Blau und Gelb. A entspricht dem x-Achsenwert und B dem y-Achsenwert. Auf der Z-Achse ändert sich die Helligkeit (L).

Viel anschaulicher ist die Vorstellung der bunten (oder gesättigten) Farben in Form eines Farbkreises. Der Farbton wird also in Form eines Winkels angegeben. Dabei entspricht 0° Rot, 90° Gelb, 180° Grün und 270° Blau. Für die weniger bunten, also vergrauten Farben ist das Parameter der „Buntheit“ bedeutend. Je grauer, desto weniger bunt. Als dritter Parameter zur Definition einer Farbe dient die Helligkeit.

Jede bunte Farbe hat genau eine eigene Helligkeit, Gelb ist recht hell und Violett ist ziemlich dunkel. Je größer jedoch der unbunte, also graue Anteil einer Farbe, desto mehr kann der Farbton in seiner Helligkeit variieren, da Grau sich zwischen Schwarz und Weiß bewegen kann. Ein Farbton mit der Buntheit Null ist vollkommen grau. Hier ist der mögliche Helligkeitsunterschied am größten (von Weiß bis Schwarz).

Farbton, Helligkeit und Buntheit (HLC, HSB)

Eine Definition von Farbe über die drei Farbmerkmale Farbton, Buntheit und Helligkeit entspricht dem allgemein anerkannten Stand der Technik, wie er in den führenden heute gebräuchlichen Farbsystemen RAL Design, NCS und Munsell verwendet wird. Für dieses verständliche und einfach vorstellbare kognitive Modell zur Beschreibung eines Farbeindrucks wird der LAB-Farbraum anders vermessen bzw. anstelle von kartesischen Koordinaten werden polare Koordinaten verwendet.

Das hier beschriebene Farbmodell mit seinen Parametern Hue (Farbton), Croma (Buntheit) und Lightness (Helligkeit) wird bisher leider nicht ganz einheitlich entweder LCh, LCH oder HLC abgekürzt. Von mir wird die Reihenfolge HLC (Farbton, Helligkeit, Sättigung) präferiert, da ich es für sinnvoll halte, mit dem Farbton zu beginnen.

Die gleiche Koordinate einmal in kartesischer (a, b) und einmal in polarer (H, C) Schreibweise

In vielen Computerprogrammen gibt es eine der soeben beschriebenen HLC-Definition ähnliche Farbbeschreibung mit den Parametern HSB (Hue, Saturation, Brightness). Diese ist jedoch nur eine andere Beschreibungsform des RGB-Farbmodells. So wie der LAB-Farbraum auch als HLC-Koordinaten beschrieben werden kann, so kann auch das RGB-Farbmodell mit den Parametern HSB abgebildet werden. Im Unterschied zum LAB Farbraum ändert sich in diesem Modell die wahrgenommene Helligkeit bei gleichbleibendem Brightness-Wert unterschiedlicher Farbtöne (in LAB ist die wahrgenommene Helligkeit unterschiedlicher Farbtöne mit gleichen L-Wert annähernd gleich; siehe Abb. 3). Auch entspricht das HSB Modell in seiner Farbtonverteilung nicht den oben erwähnten „vier Urfarben“ nach Ewald Hering, sondern hat die drei Ausgangsfarben Rot (0°) Grün (120°) und Blau (240°).

Vergleich zwischen den Farbkreisen des RGB und CIELAB Farbmodells (HSB und HLC). Der CIELAB/HLC Farbkreis ist attraktiver, denn CIELAB ist im Gegensatz zu RGB wahrnehmungsgerecht konzipiert.

Fehlende Eingabemöglichkeit

Leider gibt es die Option, Farbe als HLC-Koordinaten einzugeben, bisher kaum, zumeist nur als Plug-in wie z.B. CSColors! oder easy.Filter ColorConverter 1.2. Sehr zu wünschen wäre eine direkte Implementierung in „Quasi-Standardprogramme“ wie beispielsweise die Adobe Creative Suite.

Ein großes und wesentliches Manko bei allen mir bekannten Anbietern von HLC-Farbwählern ist jedoch die fehlende logisch notwendige Beschränkung der Parameterwerte von L (Lightness / Helligkeit) in Abhängigkeit von C (Chroma / Buntheit). Bisher ist kein HLC-Farbwahlinterface auf die Grenzen des LAB-Farbraumes beschränkt. (Maximale Buntheit = keine Helligkeitsvariation, minimale Buntheit = maximale Helligkeitsvariation.) Hierfür wäre dringend ein passendes grafisches Interface zu entwickeln, welches diesen Sachverhalt visuell veranschaulicht.


Alexander Sahoo 2014